Digitalisierung: Die Niederlande punkten bei der Innovation

Die Niederlande schneiden bei der Innovation gut ab

Die niederländische Regierung könnte eine größere stimulierende Rolle übernehmen
Hier können Sie den Artikel im PDF-Format herunterladen. In den verschiedenen Listen, in denen Dinge wie Innovation und Wettbewerbsfähigkeit gemessen werden, stehen die Niederlande immer noch weit oben. Trotzdem gibt es keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. Was die digitale Infrastruktur für Haushalte angeht, wurden die Niederlande bereits von Ländern wie Portugal und Schweden überholt. Die gute Nachricht ist jedoch, dass die Unternehmensmärkte in den Niederlanden bei der digitalen Infrastruktur nach wie vor gut abschneiden, so Kees Jonker, Geschäftsführer des niederländischen Softwareherstellers und Spezialisten für Netzwerkinfrastruktur Speer IT.
Abnehmendes Digitalisierungs-Rating
Im Global Innovation Index, der jährlich von der amerikanischen Cornell University und der Weltorganisation für geistiges Eigentum erstellt wird, lagen die Niederlande in den letzten Jahren unter den ersten fünf. Allerdings scheint es einen Abwärtstrend zu geben: Während die Niederlande 2018 noch auf Platz 2 lagen, fielen sie 2019 auf den vierten Platz zurück. Die Schweiz ist übrigens seit 2015 das innovativste Land der Welt, wie der Global Innovation Index zeigt. Was ist die Ursache für den Rückgang? Die Ersteller der prestigeträchtigen Listen haben mehrere Faktoren ausgemacht. Einer davon ist die Tatsache, dass andere Länder in Bezug auf die digitale Infrastruktur im Allgemeinen und die Glasfasernetze im Besonderen voraus sind. Jahrelang war das Vorhandensein einer landesweiten Netzinfrastruktur ein Pluspunkt, mit dem sich die Niederlande positiv von anderen abheben konnten. Diese basierte jedoch häufig noch auf Kupferdraht- und Koaxialverbindungen. Wenn es um Glasfasernetze geht, liegen die Niederlande heute weit hinter Ländern wie Portugal, Spanien und Frankreich zurück, allein in Europa. Nach Untersuchungen des europäischen Zweigs des Fiber To The Home Council, eines weltweiten Branchenverbands von Breitbandanbietern, können 97,8 % bzw. 99,2 % der Haushalte in Spanien und Portugal inzwischen einen Glasfaseranschluss erwerben. In den Niederlanden liegt dieser Prozentsatz bei weniger als 50 %.
Die Regel des restriktiven Vorsprungs
Seit zwanzig Jahren ist der Softwarehersteller Speer IT derjenige, der die Standorte von Netzwerken in den Niederlanden und im Ausland buchstäblich kartiert, mit Hilfe seiner Software Cocon Anwendung und der dazugehörigen Datenbank. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen und Kenntnisse weiß CEO Kees Jonker besser als jeder andere, wie man die Dinge ins rechte Licht rückt. "Der wichtigste Grund für die rückläufige Position der Niederlande in den verschiedenen Rankings ist, dass hier vor etwa zwanzig Jahren viel in den Ausbau von Koax-Netzen für Verbraucher investiert wurde. Damals ging die Verwendung von Koaxialkabeln weit über den reinen Internetzugang hinaus; sie konnten auch als Infrastruktur für Telefon und Fernsehen genutzt werden. Infolgedessen war der Bedarf an der Installation von Glasfasern wesentlich geringer als in anderen Ländern. In Spanien und Portugal gab es keinen massiven Koax-Ausbau. Sie begannen sofort mit der Nutzung von Glasfaser als Infrastruktur für den Breitband-Internetzugang. Man könnte sagen, dass die Niederlande daher mit der Regel des restriktiven Vorsprungs auf dem Verbrauchermarkt in diesem Bereich zurechtkommen mussten. Heute ist festzustellen, dass die Koaxialtechnik an bestimmte Grenzen stößt, z. B. bei der Höchstgeschwindigkeit der Datenübertragung. Diese liegt jetzt bei etwa 1 Gbp/s. Dies sind Grenzen, die die Glasfasertechnik nicht betreffen. So wurden beispielsweise bereits Geschwindigkeiten von 48 Terabit pro Sekunde auf Glasfasernetzen erreicht. Und das Ende ist noch nicht in Sicht."
Der Bedarf ist groß
Es besteht ein großer Bedarf, den Ausbau von Glasfasernetzen in den Niederlanden zu beschleunigen. Eine der treibenden Kräfte dafür ist die geplante Einführung des 5G-Standards für die mobile (Daten-)Kommunikation. Die betroffenen Empfangs- und Sendestationen müssen an schnelle, symmetrische Glasfasernetze angeschlossen werden. Das liegt unter anderem daran, dass mit dem neuen Mobilfunkstandard größere Datenmengen mit höheren Geschwindigkeiten transportiert werden sollen. Die alten Netze (z.B. die Infrastruktur aus Kupferdrähten) versagen in dieser Hinsicht schlichtweg. Und dennoch sagen Kritiker, dass der Ausbau der Glasfaser nicht schnell genug erfolgt. Kees Jonker stellt fest, dass es in der Tat einige Hindernisse zu überwinden gibt. "Zunächst einmal gibt es eine Investitionsschwelle. Die Installation von Glasfasernetzen ist kostspielig. Das muss sich schließlich amortisieren. Und das ist nicht überall sofort der Fall, etwa in den so genannten Randgebieten, wo die Bevölkerung weniger dicht ist. Und dann ist da noch die physische Installation von Glasfasernetzen für die Verbraucher. Sie sehen, dass sich die Telekom-Parteien manchmal gegenseitig in die Quere kommen. Sie sind entschlossen, ihre eigenen Kabel in den Boden zu graben, auch wenn dort bereits ein Kabel liegt, das von einer anderen Partei verlegt wurde. Das sollten wir im Telekommunikationssektor wirklich nicht mehr tun. Es verlangsamt die Dinge und ist außerdem unnötig kostspielig. Ich sehe hier eine Rolle für die Regierung: Ausgehend von einer klaren Vision der Digitalisierung könnte sie den rechtlichen Rahmen schaffen, um die Verlegung von Glasfaserkabeln zu fördern. Dazu könnten Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung bestehender Verkabelungen gehören. Allein dadurch könnte der Ausbau von Glasfasernetzen in den Niederlanden um etwa zwanzig Prozent beschleunigt werden.
Lenkungsfunktion der Zentralregierung erforderlich
Was brauchen die Niederlande nach Ansicht von Kees Jonker, um weitere Schritte bei der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft zu unternehmen? "Das Wichtigste ist, dass es motivierte Menschen mit viel Wissen gibt, auch im Bereich der Technologie. Die digitale Infrastruktur sollte nicht wirklich ein Thema sein. Für mich ist das wie die Verfügbarkeit von Gas und Strom in der Vergangenheit. Damals beschloss die niederländische Regierung, dass alle Haushalte an das Gas- und Stromnetz angeschlossen werden müssen. Das war eine Vorbedingung. Das gilt für den Zugang zu zukunftssicheren Glasfasernetzanschlüssen. In Deutschland hat die Regierung das wirklich verstanden. Vielerorts hinkt man den Niederlanden hinterher: Man benutzt sogar noch alte analoge Modems für den Internetzugang. Das führt sogar zu einer Abwanderung in den Dörfern. Junge Leute ziehen weg, weil sie unter diesen Umständen nicht arbeiten können. Die deutsche Regierung hat daher beschlossen, eine stimulierende Rolle bei der Digitalisierung zu spielen. Die Zentralregierung in den Niederlanden sollte dasselbe tun. Nicht nur, indem sie sich mit Fragen wie der Vermeidung unnötiger Grabungsarbeiten befasst, sondern auch, indem sie eine Angleichung der kommunalen Richtlinien und Verfahren anstrebt. Ein Beispiel: Die Kosten für die Ausbesserung von Pflastersteinen sind derzeit von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich, ebenso wie in der Vergangenheit die Genehmigungen für den Einbau von Dachgauben. Die Zentralregierung hat dies schließlich harmonisiert. Dasselbe könnte zum Beispiel auch für Reparaturkosten gelten. Das macht es den Telekommunikationsanbietern leichter, ihre Glasfasernetze auf eindeutige Weise auszubauen. Und das macht es auch schneller."
Der Unternehmensmarkt boomt
Trotz der etwas düsteren Geräusche über die Installation von Glasfasernetzen für niederländische Haushalte ist hier wirklich nichts Düsteres im Gange. So gehören die Niederlande nach wie vor zu den Ländern, in denen der Unternehmensmarkt den besten Zugang zu schnellen Verbindungen hat, auch über Glasfasernetze. Dies wurde kürzlich von der Europäischen Union bestätigt. Jedes Jahr führt die EU unter den Mitgliedsstaaten eine Untersuchung über den Stand der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft durch. Dieser "Digital Economy and Society Index" (DESI) untersucht Themen wie die Qualität der digitalen Infrastruktur und das Ausmaß, in dem Unternehmen "digital aktiv" sind. In der jüngsten Ausgabe des DESI liegen die Niederlande auf Platz vier, hinter Finnland, Schweden und Dänemark. Zwar sind die Niederlande im Vergleich zum Vorjahr um einen Platz zurückgefallen, aber das liegt unter anderem daran, dass die Frequenzverteilung für den schnellen 5G-Standard für mobile (Daten-)Kommunikation erst in diesem Jahr beginnt. Die skandinavischen Länder haben dies bereits getan. Speer IT-CEO Jonker bestätigt, dass die Niederlande eine führende Position auf dem Geschäftsmarkt mit schneller Konnektivität einnehmen. "Schauen Sie sich nur an, dass große IT-Unternehmen wie Google und Microsoft hier ihre Rechenzentren bauen. Das liegt unter anderem daran, dass es hier gute, zuverlässige und feinmaschige Glasfasernetze gibt, die für Unternehmen und Behörden bestimmt sind. Außerdem ist die Konkurrenz durch die Telekommunikationsanbieter auf dem Markt für Unternehmensglasfasern größer als auf dem Verbrauchermarkt. Das bedeutet auch, dass mehr ausgebaut wird. Auf dem Unternehmensmarkt sieht die Lage in den Niederlanden also nicht so düster aus."

Behörde für Verbraucher und Märkte will mehr Glasfaserkabel

Die niederländische Regierungsbehörde für Verbraucher und Märkte (ACM) ist zu dem Schluss gekommen, dass die Niederlande bei der Glasfaserabdeckung besser werden können. Im Herbst 2019 gab die Regulierungsbehörde eine Marktstudie über die Situation der Glasfaser in den Niederlanden in Auftrag. Die Ergebnisse der Studie veranlassten die ACM zu der Feststellung, dass "ein umfassender Glasfaserausbau unerlässlich ist, um die Telekommunikationsnetze zukunftssicher zu machen". Oder, wie die ACM selbst sagte: "Glasfaseranschlüsse bieten den Verbrauchern eine größere Wahlfreiheit. Glasfaser wird auch benötigt, um die wachsende Nachfrage nach Bandbreite zu befriedigen, jetzt und in Zukunft."

Einschlägige Links:

Globaler Innovationsindex 2019 https://www.globalinnovationindex.org/about-gii#framework CBS ICT-Nutzung 2018 https://longreads.cbs.nl/ict-kennis-en-economie-2019/ict-gebruik-van-huishoudens-en-personen/ CBS ICT-Nutzung 2018 (Zusammenfassung) https://longreads.cbs.nl/ict-kennis-en-economie-2019/samenvatting/ Global Competitiveness Report 2019 (Weltwirtschaftsforum) https://www.weforum.org/reports/global-competitiveness-report-2019 Die zehn innovativsten Länder 2019 (Weltwirtschaftsforum) https://www.weforum.org/agenda/2019/10/these-are-the-worlds-10-most-innovative-economies/ DESI 2019 (Europäische Union) https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/desi DESI 2019 telekommunikationsspezifische Ergebnisse (Europäische Union) https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/desi-report-2018-telecoms-chapters

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